Studienkonzept

Problemstellung

Da es in den Ballungszentren an Wohnraum mangelt, sollen innerhalb kurzer Zeit viele, möglichst kostengünstige Wohnungen neu gebaut werden. Alleine in Deutschland fehlen 1,5 Millionen Wohneinheiten (WE) vor allem in den Ballungszentren. Gleichzeitig sieht der Klimaschutzplan 2019 der Bundesregierung einen deutlichen Rückgang der Gebäudeemissionen um 23% bis 2030 vor. Auch die anderen europäischen Nachbarländer haben sich verpflichtet weitreichende Klimaschutzziele umzusetzen. Deshalb setzen Kommunen, neben dem energieeffizienten Bauen an sich und dem Einsatz Erneuerbarer Energien, zunehmend auf das Bauen mit Holz als einer entsprechenden Option. Ende September 2019 hat die ARGEBAU zudem die Förderung des Holzbaus beschlossen.

Diese Entwicklung spiegelt sich u.a. in bereits realisierten Projekten. Mittlerweile gibt es in Europa insgesamt 7.144 WE in 34 Wohnsiedlungen und Stadtquartiere in Holzbauweise mit mehr als 100 WE. 16 dieser Siedlungen mit total 3.862 WE befinden sich in Deutschland. 25 der 34 Siedlungen und Quartiere in Holzbauweise wurden nach 2010 umgesetzt bzw. befinden sind in der Realisierung (eigene Berechnungen auf der Grundlage der Vorrecherche; Stand: 10/2019).

Dennoch stellt sich die Frage, warum grundsätzlich im Segment der Wohnsiedlungen und Stadtquartiere die Holzbauweise noch nicht weitergehend bzw. umfassender etabliert werden konnte. Daher sollen die Gründe und Motivationen der Bauherren der bis dato realisierten Projekte systematisch erfasst und ausgewertet werden. Bislang nicht in Erfahrung gebracht wurde, welche Argumente die Entscheidungen zugunsten bestimmter (Holz-)Bauweisen bedingt haben, und insbesondere, welcher Stellenwert den Baukosten bei der Entscheidungsfindung zukam bzw. welche Optimierungspotentiale bezogen auf die jeweiligen Holzbauweisen gegeben sind. Dies soll in dieser Studie mit dem Schwerpunkt der Baukosten (Kostengruppe 300 und 400) untersucht und unter Bezugnahme auf die realisierten Siedlungs- und Quartiersprojekte dokumentiert werden.

Kernthese

Die forschungsleitende These lautet, dass zeitgemäße Holzbautechniken mit entsprechend angepassten Planungskonzepten im Zuge der Entwicklung und Umsetzung von großvolumigen Holzbausiedlungen und -quartieren Kostensicherheit einerseits, keine bzw. unwesentlich höhere Baukosten andererseits bedingen, als dies für entsprechende Vorhaben bislang angenommen und in Teilen der Fachöffentlichkeit dargestellt wird. Anhand einer detaillierten Untersuchung kann das anhand von rund 7.000 Wohnungen in Siedlungs- und Quartiervorhaben nachgewiesen werden.

Erste vertiefende Studien zu den energetischen Standards von Gebäuden und deren Bedeutung für die Baukosten zeigen, dass kein signifikanter Zusammenhang besteht (s. Hamburger Baukosten-Studie 2016; untersucht wurden die Baukosten KG 300 und 400 von 120 Gebäuden mit zusammen 4.780 WE ). Zu einem vergleichbaren Ergebnis kommt eine Studie zum Freiburger Neubaugebiet “Dietenbach” und den energetischen Gebäudestandards (Freiburg 2016). Modellrechnungen von Holger König mit den Daten der Datenbank sirAdos zu den Herstellungs- und Lebenszykluskosten von Holzgebäuden im Vergleich zu mineralischen Varianten ergeben keine Mehrkosten, sondern vier von fünf Gebäuden in Holzbauweise wurden mit niedrigeren oder gleich hohen Kosten erstellt, bei gleichzeitig deutlich besserer Klimabilanz (FNR 2015).

Ausgangsbasis für das Forschungsvorhaben

Im Rahmen der Recherchen im Vorfeld der Antragsformulierung wurden bisher europaweit 34 Siedlungen und Quartiere mit mehr als 100 WE ermittelt (durchschnittlich 210 WE je Projekt). Diese Anzahl ist quantitativ ausreichend, um eine belastbare Querschnittsbetrachtung vornehmen zu können. Im Detail können die Projekte folgendermaßen aufgeschlüsselt werden:
– 16 in Deutschland (davon 10 realisiert und 6 in Bau)
– 18 in anderen europäischen Ländern, davon 6 in der Schweiz (1 in Bau), 4 in Österreich, je 2 in Schweden, Dänemark und Frankreich, je 1 Projekt in Finnland, Großbritannien und Spanien.

Bei Recherchen im Laufe der Studie werden wahrscheinlich weitere Projekte identifiziert , wobei die aktuelle Liste insbesondere mit Blick auf die Vorhaben in Deutschland relativ vollständig ist. Die Gebäudetypologien umfassen Reihenhausanlagen, den Geschosswohnbau bis hin zu Hochhausbauten. Die drei größten Holzbausiedlungen befinden sich in München (630 WE; in Bau), in Karlsruhe (526 WE) sowie in Bremen (500 WE; in der Vermarktung).

Die bislang generierten Daten weisen darauf hin, daß immer mehr Akteure in diesem Segment Projekte in Holzbauweise umsetzen möchten, dabei in zunehmendem Maße größere Projektvolumina umgesetzt werden sollen. Eine Untersuchung der Baukosten bislang umgesetzter großer Holzbausiedlungen mit mehr als 100 WE wurde bisher noch nicht durchgeführt. 2001 wurde eine Studie zu den Baukosten von Holzbausiedlungen im Rahmen der Wohnmodelle Bayern veröffentlicht. Die damals zugrunde gelegten Projekte umfassten 16 bis 44 WE; nur eine Siedlung umfasste 132 WE. Die Angaben zu den Baukosten (in DM) sind mittlerweile überholt. Darüber hinaus liegen zu den für große Wohnsiedlungen verwendeten Holzbauweisen keine vergleichende Studie vor; ausgewertet wurden Literatur + Webdatenbanken (s.u.).

Ausgewertete Veröffentlichungen (Auswahl)

Webdatenbanken
– Informationsdienst Holz
– Wege zum Holz
– Östereichische und Schweizer Holzbauplattformen
– Detail-Projektdatenbank

Literatur
B.U.N.D. (2000) bis (2019): Jahrbuch Ökologisch Bauen und Renovieren. Stuttgart
DETAIL Atlas (2017): Mehrgeschossiger Holzbau. München
best of DETAIL (2017): Urbanes Wohnen. München
Lennartz, M.Wilhelm; Jacob-Freitag, Susanne (2016): Neues Bauen mit Holz. Basel
best of DETAIL (2014): Holz. Traditioneller Baustoff für die Architektur der Zukunft. München
Cheret, Peter et al. (2013): Urbaner Holzbau. Handbuch und Planungshilfe. Berlin
Kaufmann, Hermann (2011): Bauen mit Holz: Wege in die Zukunft. München
Gauzin-Müller, Dominique (2011): Ökologische Architektur in Vorarlberg. Basel
Dangel, Ulrich (2010): Nachhaltige Architektur in Vorarlberg. Basel
Gauzin-Müller, Dominique (2006): Nachhaltiges Wohnen: 25 internationale Beispiele. Basel
Winter, Wolfgang et al. (2005): Holzbauweisen im verdichteten Wohnungsbau. Stuttgart
Gunßer, Christoph (2003): Stadtquartiere, Neue Architektur für das Leben in der Stadt. Stuttgart
Gauzin-Müller, Dominique und Favet, Nicolas (2002): Nachhaltigkeit in Architektur und Städtebau. Basel
LB NRW (2000): Stadtsiedlungen für die Zulunft. Aachen
Christoph Gunßer (2000): Neuer Geschoßwohnungsbau. Stuttgart
Christoph Gunßer (2000): Energiesparsiedlungen. München
Paulina Fuentes Oyarzun (1992): Holzbausiedlungen. Stuttgart

Die Buch-Reihe der Wohnmodelle Bayern
Die Info-Reihe des Informationsdienst Holz